Lesbos 2008

von Christine Jung

Sommer 2007 standen wir mal wieder vor der Frage: Wo wollen wir den nächsten Urlaub verbringen? Befreundete Fotografen waren schon zwei Mal auf der griechischen Insel Lesbos und hatten nur Gutes erzählt und auch befreundete Ornithologen waren von der Insel begeistert. Auf Grund seiner Nähe zur Türkei (das Festland ist nur 7 km entfernt) liegt Lesbos auf der Zugroute vieler Vogelarten und es brüten dort Spezies, die sonst nur in Vorderasien vorkommen.
Bald stand fest, dass wir im Frühling 2008 3 Wochen (letzte April- und die beiden ersten Maiwochen) auf Lesbos verbringen werden. Da zu dieser Zeit erst wenige Hotels auf der eh noch relativ touristisch unerschlossenen Insel geöffnet haben, buchten wir schnell den Flug und unser Zimmer in dem Örtchen Skala Kalloni. Nun hieß es warten.
Ein dreiviertel Jahr später ging es ab in den Süden. Nach einigen Schwierigkeiten (z.B. kaputtes Auto noch vor Ankunft in Skala Kalloni) kamen wir am griechischen Ostersamstag in unserem Einzimmerappartement mit Bad, Balkon und Kaffeemaschine (!) an. Am nächsten Tag ging es nach einem starken Kaffee bei Sonnenaufgang raus, um die Umgebung zu erkunden.

 

Auf Lesbos
Skala Kalloni ist ein optimaler Ausgangspunkt, um alle Teile der Insel zu erkunden, da es sehr zentral liegt. Für viele gute Fotogebiete muss man von hier aus nur 5-10 min fahren.

 

Unmittelbare Umgebung von Skala Kalloni

East River
In unmittelbarer Nähe von Skala Kalloni mündet der East River in die Bucht von Kalloni. Die gesamte Uferböschung ist stark mit Disteln und anderen Pflanzen bewachsen, auf denen man sehr gut sitzende Kappenammern, Grünfinken, Stieglitze etc. fotografieren kann. Auf beiden Seiten verlaufen Wege und man kann sowohl abends als auch morgens fotografieren. Während unseres Aufenthaltes hat in dem Gebiet von der Mündung bis zur ersten Furt nach Aussage verschiedener Ornithologen und Fotografen jeden Morgen und jeden Abend ein Schwarzstorch gefischt. Wir haben oft nach ihm Ausschau gehalten und ihn dann an unserem vorletzten Tag angetroffen. Von der südlichsten Furt aus kann man sehr gut Limikolen aus dem Auto heraus fotografieren oder man legt sich seitlich in den Sand und kommt so auf Augenhöhe mit den Vögeln. Es kommen allerdings des Öfteren Fahrzeuge (vom Fahrrad bis zum Traktor) oder Schafherden durch die Furt, die die Vögel verscheuchen. Man muss also geduldig sein.

 

Bruchwasserläufer im East River

 

Kalloni Salt Pans
Nachdem man den East River einmal von der Mündung bis zur Straße abgefahren hat, empfiehlt es sich, zu den Salt Pans weiter zu fahren, die sich etwas weiter östlich befinden. Hier findet man in dem Kanal, der die großen Flächen für die Salzgewinnung umgibt, sehr viele verschiedene Limikolen. Ist es windstill, ergeben sich hier schöne Spiegelungen. Alternativ kann man sich auffliegende oder sich paarende Watvögel konzentrieren. Auch für Seeschwalben ist dies ein sehr guter Platz, vorausgesetzt, der Wind steht richtig (aus Richtung Sonne). Auf den gegenüberliegenden Weiden jagen Bienenfresser und – auf ihrem Zug nach Norden – Rotfußfalken und man kann Rotkehlpieper, Rotflügel-Brachschwalben oder die häufige Haubenlerche finden. Am Ende der Salt Pans gelangt man auf eine große Schafweide, die man entweder zu Fuß erkundet oder mit dem Auto durchfährt. Auch hier sind die Chancen auf Rotflügel-Brachschwalben recht groß, und auch Kurzzehenlerchen sind hier vertreten.

 

Zwergstrandläufer an den Kalloni Salt Pans

 

Inland Lake
Von Skala Kalloni aus Richtung Westen fahrend gelangt man an den Inland Lake („einfach“ dem kleinen blauen Holzschild „Metochi“ folgen). Hier haben es die Ornithologen vor allem auf die diversen Rallen abgesehen, während wir Fotografen die über den See fliegenden oder sitzenden Seeschwalben im Fokus hatten. Aus fotografischer Sicht ist der See nicht so ergiebig wie die bisher beschriebenen Gebiete. Um den See führt ein Rundweg, der an einer Stelle an einem steinigen Hang vorbei kommt. An dieser Stelle haben wir das Nest eines Felsenkleibers entdeckt und dort einige Zeit verbracht. Wieder am Ausgangspunkt zurück, gibt es die Möglichkeit, dem Kanal in Richtung Kalloni zu folgen. Zu der Zeit als wir da waren, „wimmelte“ es hier vor Zwergdommeln, die einen teilweise sogar so nah heranließen, dass die Naheinstellgrenze unterschritten war.

 

Zwergdommel im Kanal am Inland Lake

 

Etwas weiter von Skala Kalloni entfernt:

Derbyshire/Achladeri
Folgt man der Straße an den Salt Pans vorbei weiter Richtung Osten und biegt Richtung Achladeri ab, kommt man in ein Gebiet namens „Derbyshire“, das fotografisch gesehen wenig zu bieten hat. Fährt man weiter in diese Richtung, erreicht man nach wenigen Kilometern ein Waldgebiet, welches für das Vorkommen des Türkenkleibers bekannt ist. Und wir hatten großes Glück: Dieses Jahr brütete einer in nicht allzu großer Höhe in morschen Baumstumpf. Dies war die Attraktion überhaupt und ständig waren Ornithologen und Fotografen vor Ort. Auch ein Maskenwürger brütete in diesem Gebiet, doch unsere Fotoversuche blieben erfolglos. Dafür bekamen wir junge Waldohreulen zu sehen. Diese saßen aber zu hoch, als dass man gute Fotos hätte machen können.

 

Türkenkleiber bei Achladeri

 

Petra
Fährt man durch Kalloni Richtung Norden, kommt man nach einigem Serpentinenfahren nach Petra. Kurz hinter dem Ort liegen 2 größere Parkplatzbuchten; die Gebiete beiderseits der Straße sind bekannt für Masken- und Weißbartgrasmücke. Die Weißbartgrasmücke auf dem Bild gehört wahrscheinlich zu den meistfotografierten Individuen (neben dem Türkenkleiber bei Achladeri und dem Felsenkleiber am Inland Lake), denn sie saß immer auf dem gleichen Ast und hat gesungen. Die Stelle konnte man schon aus einiger Entfernung entdecken, denn darunter hatte sich bereits ein großer Kothaufen gebildet. Mit der Maskengrasmücke hatten wir weniger Glück. Ein einziges Mal hatte sie sich auf den Weißbartgrasmückenast gesetzt, allerdings war es zu dem Zeitpunkt stark bewölkt. Wir haben später noch eine weitere viel versprechende Stelle gefunden, aber trotz viel Geduld wollte sich die Maskengrasmücke nicht ablichten lassen.

 

Weißbartgrasmücke bei Petra

 

Apothika
Dieses Gebiet liegt westlich von Skala Kalloni und die Gegend, durch die die Straße nach Apothika läuft, sieht aus wie eine Mondlandschaft: Felsen aller möglichen Größen sind über ein riesiges Areal zerstreut. Dies sind optimale Bedingungen, um Grauortolan, Felsenkleiber und Mittelmeersteinschmätzer zu finden. Der Grauortolan ist ziemlich kooperativ und macht sich sehr gut auf den mit Flechten bewachsenen Steinen. Der Mittelmeersteinschmätzer dagegen ist sehr viel schwieriger zu fotografieren und Bilder dieser Art sind uns in dem Gebiet nicht geglückt. Fährt man nicht runter nach Apothika, sondern biegt rechts auf die Schotterstraße ab, gelangt man zu einigen Häusern. Hier leben ein paar Steinkäuze, an die man sich mit etwas Glück und Geduld vorsichtig anpirschen kann.

 

Steinkauz im Gebiet um Apothika

 

Der Westen
Sigri-Eressos Track
Die Straße, die von Sigri nach Eressos führt, soll nach Meinung einiger Fotografen der beste Platz sein, um Steinkäuze zu fotografieren. Wir haben allerdings nur einmal einen gesehen. Folgt man der Straße, so kommt man durch ganz unterschiedliche Habitate: Reines Felsenland, in dem ab und zu ein Steinhäuschen steht (Grauortolan, Mittelmeersteinschmätzer, Felsensperling), ein dicht bewachsenes Flusstal mit kleinem Teich und ein Areal voller Hecken (öfter Einfälle diverser Würgerarten). Aus fotografischer Sicht war dieser Track für uns wenig ergiebig, aber es ist landschaftlich sehr schön und wir haben dort immerhin unseren ersten und einzigen Heckensänger gesehen.

Steinsperling in der Nähe der „Isabellsteinschmätzerkreuzung“

Isabellsteinschmätzerkreuzung
Fährt man nicht über den Track nach Sigri, sondern über die normale Straße, gelangt man zu einer Kreuzung, an der es nach Sigri und Adissa geht (nicht zu verfehlen, da es die einzige Kreuzung ist und sich höchstwahrscheinlich andere Ornis an der Stelle aufhalten). Hier und etwa die nächsten 5 km kann man Isabellsteinschmätzer finden und auch ganz gut fotografieren. Wir hatten zwar wenig Glück bei dem Versuch, die Isabellsteinschmätzer fernauszulösen, dafür sind an einem Tag die Jungen gerade aus dem Nest gekommen. Diese waren überhaupt nicht scheu und ließen sich im schönsten Abendlicht fotografieren.

 

Junger Isabellsteinschmätzer an der „Isabellsteinschmätzerkreuzung“

 

Kloster Ypsilou
Das Kloster Ypsilou liegt etwa auf halber Strecke zwischen der Kreuzung und Sigri. Für Ornithologen ist das nach schlechtem Wetter ein toller Platz, denn viele ziehende Vögel landen dort im Klostergarten zwischen. Für Fotografen ist der Garten weniger geeignet, da die Vögel in den Bäumen umherhüpfen. Allerdings hat dieses Jahr ein Mittelmeersteinschmätzerpärchen direkt in der Wand am Klosterparkplatz gebrütet, und wir hatten schnell die bevorzugten Sitzwarten entdeckt. Fährt man von dem auf dem Gipfel gelegenen Kloster wieder nach unten, sollte man nach Türkenammern Ausschau halten. Auch diese haben ihre Sitzwarten und sind deshalb ganz gut zu fotografieren.

 

Mittelmeersteinschmätzer am Kloster Ypsilou

 

Allgemeines, Tipps und Infos
Alle genannten Gebiete (und noch mehr) werden in Richard Brooks „Birding On The Greek Island of Lesvos“ ausgiebig beschrieben. Aber noch wichtiger als das Buch, das einem nur Anhaltspunkte zu möglichen Vogelstandorten gibt, ist der Kontakt zu den Fotografen und Ornithologen, die zu der Zeit in Massen auf der Insel zu finden sind. So ziemlich alle Naturreiseanbieter fahren in dieser Zeit nach Lesbos, aber es sind auch viele privat unterwegs. Was auffiel, war, dass hauptsächlich Engländer und Holländer auf der Insel waren; bei den Deutschen hat sich Lesbos als Reiseziel wohl noch nicht so herumgesprochen.
Die vielen Vogelgucker sind wegen des Informationsflusses ein großer Vorteil, andererseits aber auch ein großer Nachteil: Egal, wo man sich gerade aufhält, man ist ganz sicher nicht alleine und es ist uns ein paar Mal passiert, dass wir uns einen Alternativplan überlegen mussten, da z.B. bereits ein Fotograf am Felsenkleibernest war. Auch das Verhältnis Fotograf – Ornithologe ist nicht so einfach, obwohl beide ein ähnliches Hobby haben. Allerdings versteht der Orni nicht, dass für den Fotografen die Vögel recht nah sein müssen, weshalb der Orni ohne darauf zu achten, einfach auf den Vogel zuläuft oder unter lautem Geklapper aus dem Auto aussteigt und sein Spektiv aufbaut. Fliegt der Vogel dann weg (99% der Fälle), ist ihm das egal, denn er hat ja sein Spektiv dabei. Auch hat er wenig Verständnis dafür, dass der Fotograf sich den Vögeln im Auto (Stichwort rollendes Tarnzelt) nähert und auch daraus fotografiert. Dies ist natürlich die Fotografensicht 🙂 . Es gibt jedoch auch Fotografen, die nicht besonders rücksichtvoll sind und immer näher an den Vogel ranwollen. Fliegt er weg, hat nicht nur er, sondern auch alle anderen Fotografen außenrum Pech gehabt.

 

Kampfläufer an den Kalloni Salt Pans

 

How to get there?
Von April bis Anfang Mai gibt es noch keine Direktflüge nach Lesbos; Zwischenstopps werden entweder in Athen oder Thessaloniki eingelegt. Meistens muss man auch auf einer Strecke übernachten, was aber nicht so tragisch ist, da das Gepäck durchgecheckt werden kann.
Thema „Handgepäck: Wir hatten Gott sei Dank keinen Ärger damit, obwohl unsere Fotorucksäcke voll bis oben waren. Zur Sicherheit sollte man aber immer eine stabile Plastiktüte oder kleine Reisetasche dabei haben, damit man – wenn man „erwischt“ wird – das Gewicht auf Rucksack und Tüte verteilen kann.

 

Where to stay?
Skala Kalloni ist unserer Meinung nach der beste Ausgangspunkt, um alle Teile der Insel relativ schnell zu erreichen. Man sollte jedoch frühzeitig buchen, um noch ein Zimmer und einen Flug zu bekommen. Ob man ein Hotel bucht oder ein Appartement, hängt von den jeweiligen Vorlieben ab. Die Hotels haben alle einen Pool und man bekommt Frühstück. Da wir jedoch zur Frühstückszeit immer unterwegs sind und auf einen Pool keinen großen Wert legen, haben wir ein Appartement gewählt. Das „Alkithea“ können wir wärmstens weiterempfehlen.
Mietwagen: Das Auto haben wir über Autoeurope gemietet. Der vor Ort zuständige Vermieter war Billy’s Car Rental. Man muss sagen, dass wir damit sehr viel Pech hatten: Das erste Auto, bei dem die Tür hinter dem Beifahrer nicht aufging, war noch vor Ankunft in Skala Kalloni kaputt (wir sollten am nächsten Tag das Auto repariert zurückbekommen). Das Ersatzauto war zum einen viel kleiner und zum anderen ging die Tankanzeige nicht. Wegen letzterem haben wir einmal einen kompletten Morgen mit der Suche nach einer geöffneten und benzinführenden Tankstelle verbracht. Beides ist in Griechenland nicht immer selbstverständlich. Nach diversen Telefonaten und Emails mit Billy’s und Autoeurope haben wir nach 5 Tagen das dritte Auto erhalten, das aber auch nicht der gebuchten Kategorie entsprach. Da wir inzwischen so genervt waren, haben wir es behalten. Seit unserer Rückkehr Mitte Mai haben wir mit Autoeurope rumdebattiert, damit wir den Differenzbetrag zwischen gebuchter und erhaltener Kategorie bekommen. (Dies war die Kurzversion; es sind noch viel absurdere Dinge gelaufen). Mitte August kam endlich die Nachricht, dass wir etwas Geld zurückbekommen. Ich kann also Autoeurope nicht wirklich empfehlen.

 

Good to know
Für diejenigen, die wie wir mehr Fotoausrüstung als Klamotten dabei haben: Es gibt in Kalloni eine Wäscherei.
Auch alles weitere Wichtige ist im 1 km entfernten Kalloni zu finden:
Ein Internetcafé, bei dem man auch den eigenen Laptop anschließen kann
Ein Bäcker mit leckerem Backwerk liegt gleich am Eingang von Kalloni (aus Richtung Skala Kalloni). Besonders empfehlenswert sind die Vollkornstangen.
Ein großer Supermarkt liegt auf dem Weg von Kalloni zu den Salinen. Die Lebensmittelpreise liegen übrigens ein gutes Stück über den deutschen.
In Skala Kalloni gibt es viele Restaurants und man muss selbst herausfinden, welches einem am meisten zusagt. Wir waren gern im „Ambrosia“, das etwas abseits der anderen, touristischeren Restaurants und genau neben dem „Alkithea“ liegt. Die Preise im Restaurant liegen deutlich unter den deutschen, was mich bei den hohen Preisen der Lebensmittel doch gewundert hat.

 

Fazit
Was besonders bei einem dreiwöchigen Aufenthalt auffällt, ist, wie sich die ganze Natur während dieser Zeit ändert. Am Anfang, haben kaum Blumen geblüht und es waren auch nur wenige Insekten unterwegs. Nach ein paar Tagen hat sich das grundlegend geändert und am Ende unseres Urlaubs war ein Großteil schon wieder verblüht. Auch der Wasserpegel der Flüsse und Kanäle hat sich während dieser Zeit deutlich geändert. Ebenso variiert die Anzahl und Zusammensetzung der ziehenden Arten; am Ende unseres Urlaubs waren z.B. nur noch relativ wenige Vögel auf dem Zug. Die einheimischen Singvögel waren am Ende auch sehr versteckt, weil mit Brüten und Füttern beschäftigt, während am Anfang des Urlaubs die Männchen noch ihre Reviere verteidigt haben und deshalb ständig auf ihren Sitzwarten am Singen waren.
Lesbos ist auf jeden Fall eine Reise wert und wir haben vor, wieder dorthin zu fahren (eventuell schon nächstes Jahr). Eine Empfehlung für das beste „wann“ gibt es leider nicht. Dieses Jahr wäre eine Woche früher wahrscheinlich besser gewesen. Aber kein Jahr gleicht dem anderen. Generell ist von Mitte April bis Mitte Mai sicherlich die beste Zeit.